Neu gebaut, nicht bezahlbar: Warum der deutsche Wohnungsmarkt dringend Investitionen braucht
78 Prozent Mietsteigerung in 8 Jahren - Berlin ist Spitzenreiter eines besorgniserregenden Trends. Viele Menschen können sich das Wohnen kaum noch leisten. Diese neue Studie zeigt, welche Großstädte besonders betroffen sind.

Für viele Deutsche laufen die Wohnkosten aus dem Ruder. Haushalte mit geringem Einkommen geben inzwischen 44 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus, weit über dem als vertretbar geltenden Anteil von etwa einem Drittel. In Städten wie Berlin und München, wo die Mieten innerhalb eines Jahrzehnts um die Hälfte gestiegen sind, ist es nicht mehr garantiert, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Da die Löhne und Gehälter nicht mithalten können, werden immer mehr Menschen aus dem städtischen Leben verdrängt.
immoverkauf24 hat gemeinsam mit dem Datenstudio DataPulse Research den Wohnungsmarkt in den acht größten deutschen Städten analysiert und zeigt auf, wo die Wohnungskrise besonders akut ist. Die Untersuchung macht deutlich, dass das Grundrecht auf Wohnen in Deutschland auch in Zukunft sichergestellt werden muss. Das im Bundestag beschlossene Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro bietet der Politik eine große Chance, unter anderem die Wohnungskrise gezielt anzugehen.
Die Mieten sind seit 2016 deutlich gestiegen - besonders in Berlin und München
In den vergangenen acht Jahren sind die Angebotsmieten in den deutschen Großstädten deutlich stärker gewachsen als die Inflation. Berlin führt mit Abstand die Liste an: Hier schossen die Mieten von 2016 bis 2024 um 78 Prozent in die Höhe. München folgt mit 57 Prozent. In allen anderen Städten liegt die Steigerung bei mehr als 40 Prozent. Zum Vergleich: Die Inflation stieg im gleichen Zeitraum um 26 Prozent.
Das Phänomen ist nicht auf die Großstädte beschränkt. Laut Zahlen des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stiegen von 2010 bis 2022 die Angebotsmieten in ganz Deutschland um 50 Prozent, die Bestandsmieten um 20 Prozent.
Mit diesem Anstieg können Gehaltserhöhungen in keiner Stadt mithalten. Besonders in Berlin, Stuttgart, Düsseldorf und München scheint die Schere zwischen steigenden Mietpreisen und Einkommenserhöhungen in den letzten Jahren immer weiter aufzugehen.
In allen Städten steigen die Mieten schneller als Gehälter
— Einkommensanstieg seit 2016 (Brutto, %)
— Inflation in Deutschland (%)
* Die Daten bis 2022 stammen aus dem 2024 veröffentlichten Einkommensreport des "Gemeinsamen Statistikportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder". Aufgrund fehlender aktueller Daten staatlicher Einrichtungen stammen die Zahlen zu den Jahren 2023/24 aus dem "kununu Gehaltscheck 2024" und 2025.
Hier können die einzelnen Diagramme für jede Stadt aufgerufen werden:
Berlin | München | Köln | Frankfurt am Main | Stuttgart | Hamburg | Düsseldorf | Leipzig
Neubauwohnungen sind für Viele unbezahlbar
Ein naheliegendes Mittel, um den gestiegenen Angebotsmieten entgegenzuwirken, ist der Bau neuer Wohnungen. Doch so einfach ist es in der Realität noch nicht, wie die Analyse zeigt: Im vergangenen Jahr wurden Neubauwohnungen in allen untersuchten Städten im Durchschnitt deutlich teurer angeboten als der Marktdurchschnitt. Am deutlichsten zeigt sich dies in Leipzig. Die Miete in Neubauwohnungen (gebaut ab 2022) war hier im Q4 2024 um 45 Prozent teurer als der Durchschnitt aller angebotenen Wohnungen in der Stadt. In München, der teuersten Stadt, lagen die Mietpreise für Neubauwohnungen rund 19 Prozent über dem ohnehin schon sehr teuren Durchschnitt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Neubau keine Lösung wäre – vielmehr entstehen derzeit zu wenige neue Wohnungen und nicht schnell genug, um die hohe Nachfrage zu decken. Solange die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, werden die Mieten weiter steigen. Um den Preisdruck zu verringern, müssen Angebot und Nachfrage in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Erst wenn genügend Wohnraum verfügbar ist, um die bestehende Nachfrage zu bedienen, wird sich die Preisspirale abschwächen.
Für potenzielle Wohnungseigentümer ist diese Preisdiskrepanz noch dramatischer. Der Kaufpreis für eine Neubauwohnung in Leipzig lag im Q4 2024 satte 54% über dem Gesamtmarkt Durchschnitt. Am geringsten war der Preisunterschied in Frankfurt am Main mit 18% - was immer noch erheblich ist. Für Käufer, die sich keine neu gebaute Eigentumswohnung leisten können, mag der niedrigere Preis einer Bestandswohnung verlockend erscheinen, allerdings sind hier die oft notwendigen Modernisierungskosten einzukalkulieren.
Teure Mieten treffen die Deutschen besonders stark
Deutschland hat - trotz des relativen Wohlstands - die niedrigste Eigentumsquote in der EU und die zweithöchste Mieterquote in Europa. Dadurch sind Deutsche den Schwankungen des Mietmarktes besonders stark ausgesetzt. Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen wohnt zur Miete - der höchste Anteil unter allen EU-Mitgliedern laut Eurostat und deutlich mehr als in Frankreich (37%), den Niederlanden (31%) oder Italien (25%).

Dafür gibt es mehrere Gründe: Deutschland ist bekannt für seine mieterfreundlichen Regelungen, etwa begrenzte Mieterhöhungen. Gleichzeitig fehlen die großzügigen steuerlichen Anreize für Wohneigentum, die es in anderen Ländern gibt. Auch die Geschichte spielt eine Rolle: Bis 1945 galt rund die Hälfte des Vorkriegs-Wohnungsbestands als zerstört oder beschädigt - damit ging ein Teil des vererbbaren Immobilienvermögens verloren.
Immerhin: Die Großstädte bauen Wohnungen - aber zu langsam
Viele Städte bemühen sich, der Wohnungskrise entgegenzuwirken - es wird gebaut. Die Analyse zeigt, dass in allen untersuchten Großstädten der Wohnungsbestand seit 2016 stärker gewachsen ist, als die Bevölkerung. Einzige Ausnahme: Leipzig. Hier ist die Bevölkerung um 6,5 Prozent gewachsen, der Wohnungsbestand um 5 Prozent. Diese Entwicklung wurde zum Teil über Leerstand aufgefangen. Vor zwei Jahrzehnten lag die Leerstandsquote noch bei 20 Prozent, 2022 nur noch bei 3 Prozent.
Die deutsche Regierung setzte sich 2021 das Ziel, jährlich 400.000 Wohneinheiten zu bauen, um die Wohnungskrise zu entschärfen. Doch sowohl 2022 als auch 2023 (dem aktuellsten Jahr mit verfügbaren Daten) wurde dieses Ziel um mehr als 100.000 Einheiten verfehlt.
Von einer Steigerung des Bautempos ist bisher kaum auszugehen - auf zehn Bestandswohnungen kommt lediglich eine Neubauwohnung.
Tatsächlich ist die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude seit einigen Jahren kontinuierlich gesunken. Genehmigungen sind ein wichtiger Frühindikator für künftige Bautrends, da es oft Jahre dauert, bis ein genehmigtes Mehrfamilienhaus fertiggestellt wird.
Es gibt mehrere Gründe für diese Entwicklung: allen voran der Mangel an geeigneten Grundstücken, hohe Zinssätze und steigende Baukosten. Mit der Erhöhung der Kreditkosten durch die Europäische Zentralbank zur Inflationsbekämpfung gerieten Bauträger unter Druck und zeigten sich zunehmend zurückhaltend bei neuen Projekten.
Im Januar 2025 gab es einen unerwarteten Anstieg der Baugenehmigungen um 6,9 Prozent - der stärkste Zuwachs seit Anfang 2022. Besonders stark fiel der Anstieg bei Einfamilienhäusern aus (+21,7 Prozent), während Mehrfamilienhäuser um 5,8 Prozent zulegten. Trotz dieser kurzfristigen Erholung erwarten Experten jedoch keine nachhaltige Trendwende: Prognosen gehen davon aus, dass die Genehmigungen im Gesamtjahr 2025 um 45 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen werden.
Politischer Wille und vielfältige Maßnahmen sind notwendig
Für die Wohnungskrise gibt es keine einfache Lösung. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Deutschland resultiert aus einer Verkettung von Faktoren: explodierende Baukosten, rückläufige Genehmigungszahlen durch strenge Auflagen und Bauvorschriften, unzureichende Sozialwohnungsprogramme, steigende Zinsen, wachsende Bevölkerung, lange Genehmigungsprozesse und eine sich zuspitzende Angebots- und Nachfragekrise.
Die Großstädte experimentieren mit verschiedenen Maßnahmen, darunter beschleunigte Genehmigungsverfahren, verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die Umwandlung leerstehender Gewerbeflächen in Wohnraum. Doch es wird immer deutlicher: Keine Einzelmaßnahme wird ausreichen. Nur ein umfassender Ansatz, der alle Optionen vereint und serielles Bauen ermöglicht, kann Deutschlands massive Wohnungskrise wirksam bekämpfen.
Mit dem kürzlich beschlossenen 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur hat die voraussichtliche neue Regierungskoalition aus Union und SPD die Mittel, den Wohnungsmarkt wirksam zu unterstützen. Ob der politische Wille dazu besteht, bleibt abzuwarten.
METHODIK
Diese Analyse basiert auf einer Kombination aus amtlichen Statistiken und marktnahen Angebotsdaten. Betrachtet wurden zentrale Entwicklungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt seit 2016 in den acht größten deutschen Städten. Die Auswertung stützt sich auf folgende Datenquellen und Annahmen:
- Bevölkerungs- und Wohnraumentwicklung: Daten zu Veränderungen der Bevölkerungszahl und der Anzahl an Wohneinheiten wurden vom Statistischen Bundesamt erhoben und auf Jahresbasis ausgewertet.
- Baugenehmigungen: Die jährlich genehmigten Wohneinheiten wurden auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts berechnet. Dieser Indikator dient als Frühwarnsignal für zukünftige Bautätigkeit.
- Miet- und Kaufpreise: Die Preisentwicklung für Neubau- und Bestandsimmobilien wurde anhand interner Angebotsdaten aus dem Immoscout24 Wohnbarometer analysiert. Es wurden ausschließlich öffentlich inserierte Angebotsmieten berücksichtigt – also die Preise, zu denen Wohnungen ausgeschrieben wurden, nicht die tatsächlich gezahlten Mieten.
- Durchschnittspreise: Die durchschnittlichen Marktpreise wurden mit einer gewichteten Berechnungsmethode ermittelt, wobei der Anteil von Neubau- und Bestandswohnungen pro Stadt als Gewichtungsfaktor diente.
DEFINITIONEN
- Neubauten sind definiert als maximal zwei Jahre alt.
- Bestandsimmobilien umfassen alle älteren Objekte.
- Der Wohnungsgesamtmarkt bezieht sich ausschließlich auf verfügbare Mietangebote im jeweiligen Datenzeitraum – laufende Mietverhältnisse wurden nicht berücksichtigt.
- Einkommensentwicklung: Bruttoeinkommensdaten auf Stadtebene bis einschließlich 2022 stammen aus dem Gemeinsamen Statistikportal der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Für die Jahre 2023 und 2024 wurden ergänzend Zahlen aus dem Kununu Gehaltscheck 2024 und 2025 verwendet, da aktuellere amtliche Daten nicht verfügbar waren.
- Inflation: Die Entwicklung der Verbraucherpreise wurde anhand offizieller Inflationsdaten des Statistischen Bundesamts dokumentiert.
Diese Methodik erlaubt eine differenzierte Betrachtung der Wohnraumsituation, die sowohl strukturelle Marktveränderungen als auch aktuelle Angebotsdaten berücksichtigt.
Autor dieser Studie:
Maria Fernandez

Maria Fernandez recherchiert, analysiert und visualisiert Daten, um komplexe gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen verständlich darzustellen. Ihr Fokus liegt auf datengetriebenem Storytelling, das kritische Trends und Muster für die Öffentlichkeit zugänglich macht.