Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen: Preise steigen weiter
Die Preissteigerungen auf dem deutschen Immobilienmarkt nehmen kein Ende – das macht der Rat der Immobilienweisen in seinem aktuellen Frühjahrsgutachten 2022 deutlich. Sowohl bei den Mieten als auch bei den Kaufpreisen zeigt die Kurve weiter nach oben. Eine Ausnahme ist jedoch in den sieben größten Städten Deutschlands zu verzeichnen. Dort sind die Mieten im dritten Jahr in Folge langsamer gestiegen als im bundesweiten Durchschnitt.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Wohnsituation von Familien vor allem in den Großstädten. Tenor hier: Beim Neubau wird an ihren Bedürfnissen vorbeigebaut, so dass viele entweder ins Umland ziehen oder sich mit beengten Wohnverhältnissen arrangieren müssen.
Die Entwicklung der Wohnungsmieten
Die Mietpreise für Bestandswohnungen haben im Jahr 2021 eine durchschnittliche Höhe von monatlich 8,46 Euro/Quadratmeter erreicht. Das ist ein Plus von 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders auffällig ist dabei laut Prof. Dr. Harald Simons, Autor des Kapitels „Wohnimmobilien“ und Vorstandsmitglied bei der Empirica AG, dass der Anstieg in den sogenannten A-Städten mit 2,7 Prozent auf 12,27 Euro/Quadratmeter im Schnitt weitaus geringer ausfällt als im gesamtdeutschen Mittel. Zu den A-Städten zählen Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Köln, Düsseldorf und Stuttgart.
Schaut man sich die Städte einmal im Detail an, verzeichnet Berlin mit + 4,7 Prozent auf 9,70 Euro/Quadratmeter den stärksten Anstieg. Es folgen Köln mit + 3,9 Prozent auf 11,30 Euro/Quadratmeter und Hamburg mit + 3,3 Prozent auf 11,23 Euro/Quadratmeter. In München (+ 2,6 Prozent, 16,99 Euro/Quadratmeter) und Düsseldorf (+ 2,0%, 10,89 Euro/Quadratmeter) fallen die Anstiege noch einmal geringer aus, während das Plus in Stuttgart mit 1,7 Prozent auf 12,73 Euro/Quadratmeter am wenigsten ins Gewicht fällt.
Die Entwicklung der Kaufpreise
Weitaus deutlicher als die Mietpreise sind die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in die Höhe geklettert. So stellen die Immobilienweisen für das Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 bundesweit einen Anstieg um 14,3 Prozent auf 3.140 Euro/Quadratmeter fest. Im Vorjahr hatte das Plus noch bei 11,2 Prozent gelegen. Blickt man auf das Jahr 2009 zurück, fällt der Anstieg mit 146 Prozent fast schon dramatisch aus.
Beim Blick auf die einzelnen Großstädte ist Düsseldorf mit einem Plus von 16 Prozent auf 4.627 Euro/Quadratmeter absoluter Spitzenreiter, dicht gefolgt von Köln (+ 15,3 Prozent, 4.421 Euro/Quadratmeter). Auf Platz drei liegt München (+ 12,2 Prozent, 8.756 Euro/Quadratmeter), danach kommen Berlin (+ 11,9 Prozent, 4.922 Euro/Quadratmeter) und Hamburg (+ 11,6 Prozent, 5.515 Euro/Quadratmeter). Die geringsten Steigerungen beim Quadratmeterpreis gibt es in Stuttgart (+ 9,4%, 5.157 Euro/Quadratmeter) und Frankfurt (+ 8,7%, 5.690 Euro/Quadratmeter).
Die Entwicklung der Neubauten
Es wird so viel gebaut wie seit 20 Jahren nicht mehr. 306.000 neue Wohnungen – größtenteils im Geschosswohnungsbau – sind im Jahr 2020 fertiggestellt worden, damit wurde zum ersten Mal wieder die Grenze von 300.000 überschritten. Für 2021 rechnen die Immobilienweisen zwar mit insgesamt rund 315.000 neuen Wohnungen, in den sieben A-Städten gibt es jedoch Stagnationen zu verzeichnen. Nach großen Steigerungen in den Vorjahren – außer in Köln und Stuttgart – steige die Zahl der fertiggestellten Wohnungen dort seit mindestens drei Jahren nicht mehr an, so Studienautor Harald Simons. Berlin liegt seit 2018 bei rund 18.000 Wohnungen pro Jahr, Hamburg bei 10.000, München bei 9.000 und Frankfurt schon seit 2014 bei 5.000 Wohnungen.
Kaum große Wohnungen beim Neubau
Und noch ein weiteres Problem macht Harald Simons aus: Der Anteil großer, familiengerechter Wohnungen an den Neubauten sinkt kontinuierlich. So habe sich im Neubau der Anteil der Wohnungen mit vier und mehr Räumen (zzgl. Bad, Flur, aber bereits inklusive Küche) in allen A-Städten von rund 60 bis 80 Prozent in den 2000-er Jahren stetig auf zuletzt 20 bis 30 Prozent mehr als halbiert, schreibt Simons in seiner Analyse. „Noch deutlicher ist der Rückgang bei nochmals größeren Wohnungen mit fünf und mehr Zimmern. Hier sank der Anteil von 30 bis 50 Prozent auf zuletzt nur noch 10 bis 20 Prozent ab.“ Diese Entwicklung steht in einem Widerspruch zur Tatsache, dass die Zahl der Haushalte mit drei und mehr Personen seit 2010 deutlich stärker steigt (+ 6,6 Prozent) als die Zahl kleinerer Haushalte (+ 3,1 Prozent).
Familien als Verlierer bei der Wohnungssuche
Die Folge: Familien finden insbesondere in den Großstädten zunehmend keine geeignet große Wohnung und sind entweder gezwungen, ins Umland abzuwandern oder sich mit beengten Wohnverhältnissen abzufinden. Laut Simons leben mehr als 40 Prozent aller einkommensschwachen Vier-Personen-Mieterhaushalte in den Großstädten beengt in Wohnungen, die kleiner als 80 Quadratmeter sind. Der Experte mahnt deshalb die Städte an, in ihren wohnungspolitischen Strategien Familien einen sehr viel größeren Stellenwert einzuräumen. Auch die Investoren sieht er in der Pflicht und fordert sie auf: „Baut endlich wieder große Wohnungen!“