Die möglichen Auswirkungen der Bundestagswahl 2021 auf die Immobilienbranche
Wer regiert künftig die Bundesrepublik Deutschland und mit welchen Auswirkungen muss die Immobilienbranche rechnen? Nach der Bundestagswahl am 26. September stehen die Koalitionsverhandlungen der Parteien an. Bei einer Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent kam die SPD auf 25,7 Prozent, CDU/CSU erreichten 24,1 Prozent, Bündnis 90/Grünen 14,8 Prozent, FDP 11,5 Prozent, AfD 10,3 Prozent und die Linke 4,9 Prozent. Bereits im Vorfeld wurde deutlich, dass die jeweiligen Parteien unterschiedliche Positionen in der Wohnungspolitik verfolgen. Die Frage ist, welche Positionen am Ende umgesetzt werden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Sondierungsgespräche der Parteien haben gerade erst begonnen. Noch ist vollkommen offen, welche Koalitionen möglich sind. Selbst die Frage, wer als Bundeskanzler künftig die Geschicke des Landes lenken wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Alles deutet zurzeit zwar darauf hin, dass die SPD mit Olaf Scholz als Kanzler gemeinsam mit FDP und Grünen ein Regierungsbündnis schmiedet, theoretisch ist aber immer noch eine Regierung unter Führung der CDU möglich. Insgesamt sind folgende Varianten denkbar:
- die sogenannte Ampel-Koalition unter SPD-Führung mit FDP und Grünen
- die sogenannte Jamaika-Koalition unter CDU-Führung mit FDP und Grünen
- erneut eine Große Koalition aus SPD und CDU – diese Variante ist aber nach derzeitigem Stand die unwahrscheinlichste
Welche Veränderungen wird es auf dem Immobilienmarkt geben?
Zu welchen Veränderungen es auf dem Immobilienmarkt kommt, hängt zum einen von der Regierungsbeteiligung der jeweiligen Parteien ab, zum anderen auch davon, inwiefern sie sich mit ihren Positionen durchsetzen können. Tatsache ist, dass die Wahlprogramme aller Parteien zum Teil drastische Veränderungen für die Immobilienbranche beinhalteten – es sind jeweils nur unterschiedliche Bereiche betroffen.
Wir stellen eine Auswahl der wichtigsten Punkte vor:
Veränderungen für Mieter: Mietpreisbremse, Wohngeld, Mietendeckel
Dass es auch in Großstädten bezahlbare Mietwohnungen geben muss, ist eigentlich bei allen Parteien Konsens. Nur gehen die Vorstellungen auseinander, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Wir zeigen, was bei den unterschiedlichen Regierungskoalitionen realisiert werden könnte:
- Ampel: SPD und Grüne wollen eine Entfristung und Ausweitung bzw. Verschärfung der Mietpreisbremse sowie die 1990 abgeschaffte Wohnungsgemeinnützigkeit wieder einführen; die SPD will zudem ein Mietenmoratorium für begrenzte Zeit in angespannten Wohnlagen, das heißt, die Mieten dürften dort nur in Höhe der Inflationsrate steigen. Die Grünen wollen hingegen einen Mietendeckel im Bestand per Bundesgesetz realisieren. Die FDP ist gegen Mietendeckel und Mietpreisbremse, plädiert aber dafür, den Beziehern von Wohngeld den Zugang zum freien Mietmarkt zu erleichtern. Ihr dürfte es insgesamt schwerfallen, sich gegen SPD und Grünen durchzusetzen
- Jamaika: Da sowohl CDU/CSU als auch FDP gegen Mietendeckel und Mietpreisbremse sind und sie eher den Bau von neuen Wohnungen als geeignetes Instrument zur Mieten-Regulierung sehen, würden in dieser Konstellation die Grünen das Nachsehen haben.
- Große Koalition: Hier ist schwer abzuschätzen, in welcher Form SPD und CDU/CSU auf einen Nenner kommen könnten.
Veränderungen für Bauherren und Käufer: Neubauten, Grunderwerbssteuer, Mietkauf
Mehr Wohnraum schaffen und privates Wohneigentum fördern – dieses Ziel wollen die Parteien durch unterschiedliche Maßnahmen durchsetzen.
- Ampel: Für SPD und FDP ist die Aktivierung von Bauland und die Schaffung von mehr Wohnraum ein zentrales Anliegen. Die SPD will mindestens 400.000 „reguläre“ Wohnungen pro Jahr sowie 100.000 Sozialwohnungen errichten lassen, die FDP vor allem die steuerliche Abschreibung von Wohnungsbauinvestitionen von zwei auf drei Prozent erhöhen. Die Liberalen wollen zudem die Genehmigungsverfahren von Bauanträgen vereinfachen und beschleunigen.
Die Grünen setzen insbesondere auf die Neugründung und Stärkung von kommunalen Wohnungsgesellschaften und wollen bei Neubauten vor allem auf Nachverdichtung und flächensparendes Bauen setzen.
Ein weiterer Punkt ist die Grunderwerbsteuer. So will die FDP einen Freibetrag von 500.000 Euro für natürliche Personen durchsetzen. Die Grünen wollen diese Steuer für private Käufer senken und für Wohnungsunternehmen erhöhen. Zudem wollen die Grünen ebenso wie die SPD den Mietkauf fördern. Insgesamt liegen die Positionen bei diesen Themen also nah beieinander. - Jamaika: CDU/CSU setzen wie die FDP vor allem auf den Neubau von Wohnungen, um den Wohnungsmarkt zu entzerren, außerdem will die Union die steuerliche Förderung für den Mietwohnungsbau auf nach Ende 2021 verlängern. Bei der Grunderwerbsteuer plant die Union ebenfalls eine Senkung und einen Freibetrag für Familien beim erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Zudem will sie Mietkauf und die Unterstützung genossenschaftlicher Wohnmodelle prüfen lassen. Insgesamt liegen Positionen der Parteien, inklusive der Grünen, bei diesen Themen auch hier sehr nah beieinander.
- Große Koalition: In den Punkten Neubau, Grunderwerbsteuer, Mietkauf und genossenschaftliches Wohnen gibt es viele Überschneidungen bei SPD und CDU/CSU.
Veränderungen für Makler und private Verkäufer: Spekulationssteuer, Courtage
Wer seine Immobilie verkaufen möchte, sei es mit Makler oder privat, könnte sich auf einige Neuerungen einstellen müssen. Speziell für Kapitalanleger ist der mögliche Wegfall der zeitlichen Befristung bei der Spekulationssteuer ein wichtiges Thema.
- Ampel: Sowohl SPD als auch Grüne wollen die Steuerfreiheit nach Ende der zehnjährige Spekulationsfrist für nicht selbst genutzte Wohnungen abschaffen. Das heißt, mögliche Gewinne aus einem Verkauf müssen immer versteuert werden. Bisher ist nach der Zehn-Jahres-Frist ein steuerfreier Verkauf möglich. Die Grünen wollen außerdem das Bestellerprinzip bei Maklern auf Immobilienkäufe ausweiten und die Makler-Courtage auf zwei Prozent begrenzen. Die FDP hat zu diesen Punkten keine Position in ihrem Wahlprogramm festgehalten.
- Jamaika: So wie die FDP haben sich auch CDU/CSU weder zur Spekulationssteuer noch zur Maklercourtage geäußert. Ob die Grünen in dieser Konstellation ihre Position durchsetzen könnten, ist fraglich.
- Große Koalition: Beim Thema Spekulationssteuer könnte es Streit geben.
Veränderungen für Vermieter und Eigentümer: CO2-Preis, Modernisierungen
Beim CO2-Preis, der die Politik schon länger beschäftigt und den Vermieter derzeit vollständig auf ihre Mieter umlegen können, gehen die Meinungen der Parteien auseinander (siehe auch News „Streit um neue Regelung zur CO2-Abgabe bei Vermietungen“). Auch bei Modernisierungen an Gebäuden, unter anderem im Sinne des Klimaschutzes, gibt es unterschiedliche Positionen.
- Ampel: SPD und Grüne fordern, dass ausschließlich die Vermieter den CO2-Preis tragen sollen. Nach den Plänen der Grünen sollen die Einnahmen aus dem CO2-Preis in Form eines sogenannten Energiegeldes an die Bürger zurückfließen. Die Grünen wollen zudem Solardächer besonders fördern und zum Standard machen. Die FDP hat zum CO2-Preis keine Position bezogen.
- Jamaika: Nach Ansicht von CDU/CSU soll der CO2-Preis zwischen Mieter und Vermieter geteilt werden. Was Gebäudesanierungen für mehr Klimaschutz angeht, will die Union diese auch bei vermieteten Wohnimmobilien und Gewerbeobjekten steuerlich begünstigen.
- Große Koalition: Beim Thema CO2-Preis, der die Politik schon länger beschäftigt, dürfte eine Einigung nur schwer zu erzielen sein.
Auswirkungen des Volksentscheids in Berlin: Werden private Wohnungskonzerne jetzt vergesellschaftet?
Parallel zur Bundestagswahl haben die Berliner darüber hinaus in einem Volksentscheid darüber abgestimmt, ob in ihrer Stadt private Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen vergesellschaftet werden sollen. Ziel der Initiatoren ist, Mietpreissteigerungen ein Ende zu setzen.
56,4 Prozent der Berliner haben mit „Ja“ gestimmt. Wie sich dieses Ergebnis nun auf die Immobilienbranche auswirkt, ist noch vollkommen offen. Fakt ist bisher nur, dass die Abstimmung als starkes Signal – auch bundesweit – gewertet werden kann. Rechtlich bindend ist es nicht. Viele Menschen wünschten sich offensichtlich einen gemeinwohl- statt profitorientierten Wohnungsmarkt, urteilte etwa die stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Wibke Werner.
Die SPD, die mit Franziska Giffey höchstwahrscheinlich die nächste Regierende Bürgermeisterin Berlins stellen wird, hat sich zwar klar gegen Enteignungen positioniert. Durch Enteignung löse man kein Problem und setze ein schwieriges politisches Signal, sagte Giffey noch vor dem Wahltag, an dem in Berlin parallel zur Bundestagswahl und zum Volksentscheid auch ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wurde. Um dennoch dem Volksentscheid Rechnung zu tragen, will Giffey einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen, der allerdings zuvor rechtlich geprüft werden müsse. Der Berliner Senat rechnet damit, dass die Entschädigung der Wohnungskonzerne bis zu 36 Milliarden Euro kosten würde.
Rechtsexperten haben schon jetzt Bedenken an der Umsetzbarkeit des Vorhabens geäußert. Sie führen unter anderem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Feld sowie das Prinzip der Gleichbehandlung, da nur Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen betroffen sein sollen. Auch bezweifeln sie die Zuständigkeit des Landes Berlin in Mietrechtsfragen.
Es bleibt also spannend, wie die Entscheidung in diesem Punkt sowie bei den zahlreichen anderen wohnungspolitischen Themen ausfallen wird.